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Die Normalisierung der extremen Rechten

Ein AfD-Oberbürgermeister im sächsischen Pirna, das von Correctiv aufgedeckte Vernetzungstreffen in Potsdam und hohe Umfragewerte für die AfD vor den EU-Wahlen und den Landtagswahlen in diesem Jahr – die Erfolge rechtsextremer Parteien kommen nicht von ungefähr. Rechtsextreme Akteure sind seit Jahren nicht mehr isoliert; ihre Ideen und Positionen werden in der Öffentlichkeit stärker akzeptiert und sind längst im Mediendiskurs verankert. Diese Entwicklung lässt sich schon seit den 90er Jahren beobachten, wie Teresa Völker, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung, in ihrer Dissertation untersucht hat.

Ausgangspunkt von Teresa Völkers Forschung ist die zunehmende Sichtbarkeit der äußersten Rechten im öffentlichen Raum. Dies zeigt sich zum Beispiel im Kontext von kritischen Ereignissen wie der sogenannten "Flüchtlingskrise“ 2015 oder nach den Terroranschlägen der vergangenen Jahre. Nach rechtsextremistischen Anschlägen wie in Hanau und Halle, aber auch nach dem islamistischen Anschlag am Berliner Weihnachtsmarkt wird deutlich, wie viel Raum den Politiker*innen und Narrativen von Rechtsaußen-Akteuren wie der AfD in der Berichterstattung eingeräumt wurde.

Positionen von Rechtsaußen beeinflussen die Debatten

Die Forscherin zeigt in ihrer Dissertation, dass rechtsradikale und rechtsextreme Akteure die öffentlichen Debatten seit den 1990er Jahren in Deutschland beeinflusst haben. Rechtsextreme Ansichten zu kontroversen Themen wie Migration und Islam sind in den öffentlichen Diskurs eingedrungen. Dabei spielt die Auflösung des sogenannten Cordon Sanitaire eine entscheidende Rolle für das Erstarken der äußersten Rechten. Als Schutzwall soll der Cordon Sanitaire sicherstellen, dass Akteure und Ideen, die nicht den demokratischen Normen entsprechen, aus demokratischen Debatten ausgeschlossen werden.

Wie Rechtsextreme Ideen zum Mainstream wurden

In ihrer Dissertation entwickelt Teresa Völker das Konzept des "diskursiven Mainstreaming", also die schrittweise Akzeptanz rechtsextremer Ideen, um den Einfluss der äußersten Rechten in liberalen Demokratien zu analysieren. Insgesamt zeigen die Studien der Dissertation, dass das diskursive Mainstreaming der äußersten Rechten in Deutschland seit den 1990er Jahren zugenommen hat. Die Dissertation identifiziert drei Triebkräfte dafür: die Öffnung diskursiver Gelegenheitsstrukturen durch demokratische Parteien, die Rolle kritischer Ereignisse wie die oben erwähnten Terroranschläge und die Verstärkung von Vorurteilen und Stereotypen in der öffentlichen Wahrnehmung. Die äußerste Rechte hat dadurch Resonanz, Legitimität und politische Macht erlangt, insbesondere im Kontext von kritischen Ereignissen. Die empirischen Studien der WZB-Forscherin basieren auf neu erhobenen repräsentativen Bevölkerungsumfragen und Zeitungsartikeln seit den 1990ern. Diese Daten wurden mit verschiedenen Methoden ausgewertet, unter anderem automatisierte Textanalyse, Netzwerkanalyse, Inhaltsanalyse und einem Umfrageexperiment.

Einblicke in die Ergebnisse

Erste Einblicke in die Ergebnisse der Dissertation liefern zwei Artikel, die in Fachjournals veröffentlicht wurden. Der erste Artikel von Teresa Völker (2023) analysiert die Auswirkungen der rechtsextremen und islamistischen Terroranschläge in Deutschland zwischen 2015 und 2020. Die Ergebnisse zeigen, dass die Themen und Interpretationen der äußersten Rechten in der breiten Öffentlichkeit verbreitet wurden. Sowohl islamistische als auch rechtsextreme Anschläge haben günstige Bedingungen für rechtsextreme Akteure geschaffen, um erfolgreich als Krisenkommunikatoren zu mobilisieren und verzerrte Darstellungen von rechtsextremen und islamistischen Bedrohungen zu verbreiten.

Die öffentliche Resonanz der äußersten Rechten zeigt sich ebenfalls in der Langzeitstudie, in der Teresa Völker zusammen mit Daniel Saldivia Gonzatti (2024) langfristige Trends in öffentlichen Debatten untersucht hat. Die automatisierte Textanalyse von mehr als 500.000 Zeitungsartikeln seit den 1990er Jahren macht deutlich, dass die öffentliche Sichtbarkeit der äußersten Rechten insbesondere durch die Themen Migration und Sicherheit sowie im Kontext der sogenannten „Flüchtlingskrise“ und der islamistischen Terroranschläge 2015/16 gewachsen ist. Die relative Medienaufmerksamkeit für rechtsextreme Akteure in Zeitungsartikeln zu diesen Themen stieg von rund 0,7 Prozent in den 1990er Jahren auf 6,6 Prozent im Zeitraum 2015 bis 2019. Dabei ist zu beachten, dass der starke Anstieg maßgeblich durch die Rechtsaußen-Partei AfD getrieben wurde.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass öffentliche Debatten den Weg für rechtsextreme Akteure ebnen, um Teil des politischen Systems zu werden und Zugang zu demokratischen Institutionen zu erhalten.

8.2.24/kes/TV