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European Union, 2022/ Bogdan Hoyaux

Größere Einheit in der EU durch Krisen?

Die europäische Integration läuft Gefahr, in eine "Politikfalle" zu geraten. Unterschiedliche nationale Muster der öffentlichen Politisierung in den einzelnen EU-Ländern erschweren gemeinsame Entscheidungen. Das heizt kritische öffentliche Debatten über die Europäische Union (EU) weiter an. Von außen verursachte Krisen wie die COVID-19-Pandemie und der Beginn des Kriegs in der Ukraine können diesen Teufelskreis aber durchbrechen: Sie sorgen für eine kurzzeitige Übereinstimmung in den öffentlichen Debatten über die EU – und machen so die gemeinsame Entscheidungsfindung leichter. Zu diesem Schluss kommen der WZB-Forscher Christian Rauh und Michal Parizek (Charles University, Prag) in ihrer neuen Big-Data-Studie zur Darstellung der EU in Online-Medien aller 27 Mitgliedsländer.

Die COVID-19-Pandemie und die Ukraine-Krise haben die öffentlichen Debatten über die Europäische Union positiv beeinflusst. Während die europäische Integration zuletzt oft durch unterschiedliche kontroverse öffentliche Debatten in den einzelnen Mitgliedstaaten gebremst wurde, deutet die öffentliche Darstellung der EU während dieser beiden großen exogenen Schocks stattdessen auf eine Konvergenz der nationalen Debatten hin.

Die gemeinsame Entscheidungsfindung wird leichter

In einer quantitativen Textanalyse von 753.453 Artikeln aus 228 führenden Online-Nachrichtenmedien in allen 27 EU-Mitgliedstaaten zwischen Januar 2018 und April 2023 finden Christian Rauh, Leiter des Brückenprojekts Balancing Acts: European digital policy amidst economic, normative and security competition in the international system, und Michal Parizek in diesem Zusammenhang drei Muster: In der öffentlichen Berichterstattung über beide Schocks war die EU in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen relevant. Sie wurde mit ähnlichen Themen wie Gesundheit und Sicherheit in Verbindung gebracht, und sie wurde weniger häufig im Kontext nationaler Parteipolitik erwähnt. Eine solche Konvergenz der Debatten bietet somit die Chance für eine gemeinsame Entscheidungsfindung in der EU: Im Gegensatz zu anderen jüngeren Krisen in der EU sollte ein Konsens der nationalen Regierungen viel einfacher zu finden sein, da alle Regierungen in ihren nationalen Debatten mit ähnlichen Forderungen konfrontiert sind.

Nur kurzfristige Effekte

Die Studie zeigt jedoch auch, dass diese Effekte nicht von langer Dauer sind: Die aufgezeigten Muster sind kurzlebig und bieten somit keinen dauerhaften Ausweg aus den Zwängen, die die öffentliche Politisierung für die gemeinsame Entscheidungsfindung in der EU schafft.

5.8.24, kes