Proteste in Europa wandeln sich
Das Protestgeschehen in Europa ist in den vergangenen Jahren unberechenbarer und fragmentierter geworden. Es sind neue Akteure, auch neue Forderungen und Protesttaktiken aufgetaucht, die nicht in das etablierte linksliberale Schema passen. Was sind die Gründe dafür? Brauchen wir in der Forschung neue Begriffe, um diese Entwicklung zu beschreiben? In ihrer Einleitung zu einer Sonderausgabe des Journal of European Public Policy argumentieren Swen Hutter und Sophia Hunger, dass die Abfolge schwerer Krisen in den letzten Jahren die Protestlandschaft Europas grundlegend verändert hat.
Anstelle einer stetigen Ausweitung von Protesten sind die jüngsten Entwicklungen durch einzelne Mobilisierungsschübe und einen allgemeinen Rückgang der Protestaktivitäten gekennzeichnet. Sie werden von einer „Normalisierung“ rechtsextremer Protestakteure und einer wachsenden Vielfalt von Forderungen und auch von Teilnehmern begleitet. Diese Verschiebungen zeigen, dass sich Proteste geändert haben - das klassische Bild eines linksliberalen und institutionell verankerten Aktivismus, der einer bestimmten Routine folgt, trifft nicht mehr zu.
Swen Hutter, Direktor des Zentrums für Zivilgesellschaftsforschung, und Gastwissenschaftlerin Sophia Hunger beschreiben dieses komplexe Muster als ‚new contentious politics’. Um den neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen, fordern die beiden Forschenden in ihrem Artikel eine systematischere Erforschung der Veränderungen durch unterschiedliche Forschungsdiszipline.
Die Sonderausgabe der Zeitschrift untersucht empirisch drei Dimensionen: Veränderungen in der Intensität, den Formen und den Forderungen von Protesten (Protestangebot), Trends in der Zusammensetzung und den Motivationen der Teilnehmer (Protestnachfrage) sowie die Reaktionen der politischen Eliten und institutionelle Ergebnisse (Protestresultate). Zusammen hinterfragen die Beiträge etablierte Annahmen und weisen auf ein zunehmend fragmentiertes, volatiles und heterogenes Protestgeschehen hin.
26/7/25, kes
