Im Wartezimmer einer Samenbank im dänischen Aarhus
Florian Jaenicke/laif

Der Preis der Reproduktion

Die Kosten und Erstattungen für Reproduktionsmedizin variieren stark von Land zu Land und beeinflussen, wer sich künstlich fortpflanzen kann. In vielen Ländern sind medizinisch unterstützte Fortpflanzungsmethoden teuer. Die Erstattung dieser Kosten durch gesetzliche Versicherungen variiert je nach Land und führt zu Unterschieden in den Zugangsmöglichkeiten für verschiedene soziale Gruppen.

In einem Beitrag für die WZB-Mitteilungen stellen die WZB-Forscherinnen Mio Tamakoshi und Hannah Zagel erste Ergebnisse aus der Analyse der neu erhobenen International Reproduction Policy Database (IRPD) vor. Sie beschreiben, wie die Regelungen in unterschiedlichen Ländern zu Unterschieden beim Preis der Fortpflanzung für verschiedene soziale Gruppen führen.

Die Analyse zeigt: Viele Wohlfahrtsstaaten subventionieren Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin über die gesetzliche Krankenversicherung. Dieser Umstand kommt jedoch nicht allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zugute. Drei Ursachen führen die Forscherinnen auf: Erstens schließt die allgemeine Krankenversicherung bestimmte Gruppen von der Erstattung aus, beispielsweise aufgrund ihres Alters oder ihres Familien- oder Partnerschaftsstatus. Durch solche Kriterien für die Erstattungsfähigkeit kommt es zu unterschiedlichen Preisen der Behandlung für verschiedene soziale Gruppen, es ist also unterschiedlich teuer, eine Familie zu gründen. Zweitens bezuschussen einige Länder die Leistungen nur, wenn die Hilfe bei der Fortpflanzung medizinisch notwendig ist. In solchen Fällen wird die künstliche Befruchtung ausschließlich als Mittel zur Behandlung von medizinisch bedingter Unfruchtbarkeit subventioniert. Drittens kann der Umfang der Kostenübernahme, zum Beispiel die maximale Anzahl der Behandlungszyklen, den Preis für verschiedene Empfängergruppen verändern – was deren Entscheidung darüber beeinflusst, wie viel Zeit und Geld sie in die Bemühungen um eine Schwangerschaft investieren.

Bessergestellte können sich eher eine Behandlung leisten

Ein Beispiel: In Europa liegen die Kosten für eine Behandlung per In-vitro-Fertilisation (IVF) bei 4.000 bis 5.000 Euro pro Zyklus. Die Länder legen unterschiedliche Höchstzahlen für Behandlungszyklen per IVF fest; so wurden im Jahr 2020 beispielsweise in Lettland zwei Zyklen übernommen, in Belgien sechs. Ähnlich wie bei den oben erwähnten Alterskriterien können die Menschen auch über diese Grenzen hinaus viele Zyklen versuchen, allerdings dann auf eigene Kosten. Das bedeutet, dass sich der Preis vervielfacht, wenn das gewünschte Ergebnis nicht innerhalb der abgedeckten Zykluszahl erreicht wird. Da die Erfolgsquote pro Zyklus mit dem Alter abnimmt, bedeutet dies auch, dass die künstliche Befruchtung teurer wird, je älter Menschen mit Kinderwunsch werden. 

Da die Länder unterschiedliche Kriterien für die Erstattungsfähigkeit und den Umfang der Kostenübernahme festlegen, steuern und differenzieren die Staaten indirekt den Zugang zur Reproduktionsmedizin für verschiedene soziale Gruppen. Und selbst mit der Erstattung ist der Preis hoch. Sogar wenn die Kosten vollständig gedeckt sind, erfordert die Behandlung oft häufige, regelmäßige und manchmal spontane Besuche in Fruchtbarkeitskliniken. Das führt dazu, dass selbst in den Gruppen, die Anspruch auf eine Kostenübernahme durch die öffentliche Krankenversicherung haben, der Großteil derer, die tatsächlich eine Behandlung angehen, sozial und wirtschaftlich bessergestellt ist.

Die Datenbank zur Reproduktionspolitik

Hannah Zagel, Leiterin der Emmy-Noether-Forschungsgruppe, hat mit ihrem Team Daten zu Reproduktionspolitik in 31 Ländern erhoben, um große Vielfalt und die Veränderungen in den politischen Maßnahmen und Gesetzgebungen über die Zeit abzubilden. Für jedes Jahr zwischen 1980 und 2020 wurde in der International Reproduction Policy Database (IRPD) festgehalten, welche staatlichen Maßnahmen in den Ländern zu fünf Regulierungsbereichen galten: Sexualerziehung, Verhütungsmittel, Schwangerschaftsabbruch, Reproduktionsmedizin und Schwangerschaftsvorsorge. Mit vielen unterschiedlichen Kennzahlen in jedem dieser Bereiche ermöglicht die neue Datenbank erstmalig, einen umfassenden Überblick darüber zu erhalten, wie wohlhabende Länder das Kinderbekommen und Nicht-Kinderbekommen regulieren.

30.10.23 / kes 

Bildbbeschreibung: Das Foto wurde im Wartezimmer einer Samenbank im dänischen Aarhus aufgenommen. Foto: © Florian Jaenicke/laif