Lesen mit Maschinen. Über den digitalen Wandel der Geisteswissenschaften
Bleiben die Geisteswissenschaften dieselben auch im digitalen Zeitalter?
Ja und Nein. Ja, weil die Aufgabenstellung der Geisteswissenschaften unverändert die ist, zur kulturellen Selbstverständigung und kritischen Reflexion auf gesellschaftliche Entwicklungen beizutragen. Nein, weil sich ihre Gegenstände und mehr noch ihre Methoden ändern und mit Google ganz andere Konkurrenten im Feld der kulturellen Deutung dramatisch an Gewicht gewinnen.
Der Vortrag stellt die Umbauten der Geisteswissenschaften vor, die so viel Rhetorik eines Kulturkampfes auf sich ziehen. Wenn Millionen von Büchern, Bildern und Musik auch digital vorliegen, dann verändert sich das Gegenstandsfeld der Geisteswissenschaften. Wenn kulturelle Artefakte über die Grenzen der Gattungen und Genre miteinander verknüpft werden können, dann ändern sich auch die Methoden ihrer Erschließung. Die Verwandtschaften von Märchen lassen sich dann fast wie genetische Verwandtschaften ermitteln. Versunkene Städte werden durch eine Verbindung von Radar und Rechnen rekonstruiert und selbst komplexe Musikeditionen erreichen im Internet ein millionenfaches Publikum. Am Beispiel von verschiedenen geisteswissenschaftlichen Fächern erläutert der Vortrag, was es heißt mit Maschinen Texte zu lesen und Bilder zu analysieren und warum hierdurch die Geisteswissenschaften verändert werden.
Gerhard Lauer ist seit 2002 Professor für Deutsche Philologie an der Universität Göttingen und ist Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften.
Veranstaltung in der Kolloquienreihe Wissenschaft und Gesellschaft: Bleibt alles anders?