Betriebsräte sorgen sich um Wettbewerbsfähigkeit
Betriebsräte bei Automobilzulieferern zeigen sich besorgt über die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte. Dies geht aus einer aktuellen Untersuchung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) hervor, für die im Sommer 2024 knapp 200 Betriebsräte befragt wurden. Gleichzeitig sehen sie in der Elektromobilität eine Chance: Viele Unternehmen reagieren proaktiv auf Absatzprobleme und entwickeln neue Produkte für die Elektromobilität. Die Befragung zeigt, wie groß der Transformationsdruck der Branche ist – trotz weiterhin hoher Innovationskraft.
Die Betriebsräte rechnen mit einem weitreichenden Personalabbau, der neuerdings auch Angestellte erfassen wird. 56 Prozent der Betriebsräte gehen von einem Beschäftigungsabbau in Verwaltung, Vertrieb, Beschaffung oder auch in der Produktentwicklung aus. 60 Prozent der Befragten erwarten, dass sich bei den Arbeitern in der Produktion der Beschäftigungsabbau in den kommenden fünf Jahren fortsetzen wird. Die Beschäftigungsverluste betreffen alle Produktbereiche.
Die Stärken im Standortwettbewerb sehen die Betriebsräte weiterhin im Qualifikationsniveau der Beschäftigten, bei Erfahrungen mit neuen und komplexen Technologien und der daraus resultierenden Produktivität und Qualität. Gleichzeitig beobachten sie, dass die traditionellen Stärken schwinden: Bei einer ersten Befragung im Jahr 2016 sagten noch 80 Prozent der Betriebsräte, das Qualifikationsniveau der Belegschaften sei ein Standortvorteil. 2024 stimmten dieser Aussage nur noch 63 Prozent zu. Schlechter wird auch die Produktivität der deutschen Standorte bewertet: 2016 war sie für 75 Prozent der Betriebsräte ein Standortvorteil, 2024 nur noch für 53 Prozent.
Die Transformation zur Elektromobilität verändert die Nachfrage nach Produkten in der Automobilzulieferindustrie. Etwa ein Drittel der Betriebsräte berichtet von einem Rückgang der Nachfrage, während knapp ein Fünftel einen Anstieg verzeichnet. Für fast die Hälfte der Unternehmen bleibt die Nachfrage stabil. Um sich anzupassen, entwickeln viele Unternehmen neue Produkte für die Elektromobilität. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede: Über 80 Prozent der Betriebsräte in Unternehmen mit gestiegener Nachfrage durch die Elektromobilität geben an, aktiv neue Produkte zu entwickeln. Im Gegensatz dazu zeigen Unternehmen, deren Produkte unter der Transformation leiden, weniger Engagement in der Diversifizierung.
Konstant hoch bleiben die Verlagerungen der Produktion ins Ausland: Zwei Drittel der Betriebe waren in den letzten fünf Jahren betroffen. Dabei wird zunehmend auch die Produktentwicklung verlagert; 30 Prozent der Betriebsräte berichteten von Verlagerungen in diesem Bereich. Während 2016 die Verlagerungen nahezu gleichmäßig innerhalb und außerhalb Europas stattfanden, haben 2024 diejenigen außerhalb Europas drastisch abgenommen. Innerhalb Europas wird vor allem nach Mittel- und Osteuropa verlagert.
„Die Probleme der Autozulieferindustrie erfordern eine aktivere Industriepolitik“, sagt WZB-Forscher und Studienautor Martin Krzywdzinski. Neben der Innovationsförderung sei auch eine Nachfrageförderung wichtig, etwa durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos. Gleichzeitig sollten die Kosten für Unternehmen gesenkt werden. „Die Energiewende und die Sicherung günstigen Stroms müssen politische Priorität haben.“
Im Mai und Juni 2024 wurden für die Studie 449 Betriebsräte aus den IG-Metall-Bezirken Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen/Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen angefragt, von denen sich 182 beteiligten. Ein ähnlicher Fragebogen wurde bereits 2016 von 142 Betriebsräten beantwortet, was Vergleiche bei bestimmten Punkten ermöglicht.
Martin Krzywdzinski ist Leiter der Forschungsgruppe Globalisierung, Arbeit und Produktion am WZB, Direktor am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft und Professor für Internationale Arbeitsbeziehungen an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.