Hilft Willenskraft beim Lernen?
Was hat Willenskraft mit Lernerfolg zu tun und was kann die Bildungsforschung daraus lernen? Darüber sprachen wir mit unserem Gast Dr. Tamás Keller. Der Soziologe forscht derzeit am WZB in der Projektgruppe Nationales Bildungspanel.
Kann man Willenskraft wissenschaftlich messen?
Die National Educational Panel Study NEPS hat das mit Hilfe eines Experiments getan: Vierjährige Kinder konnten wählen, ob sie jetzt gleich ein Geschenk bekommen wollen oder aber morgen zwei.
Wofür haben sich die meisten entschieden?
Die Mehrheit wollte das Geschenk sofort haben, aber immerhin ein gutes Drittel der Kinder hat es geschafft, auf den nächsten Tag zu warten.
Wozu diente das Experiment?
Man kann die hier bewiesene Willenskraft in Verbindung setzen zu späteren schulischen Leistungen. Und da zeigt sich, dass die Kinder, die ihre Belohnung zugunsten einer Vermehrung aufschieben konnten, in Lesen, Schreiben, Rechnen besser abschnitten.
Wie kommt das?
Es ist jedenfalls keine Frage der Intelligenz. Eine Vermutung ist, dass sich diese Kinder besser konzentrieren können. Außerdem können sie sich wohl besser selbst disziplinieren und üben dadurch mehr.
Was bringt diese Feststellung der Bildungsforschung?
Vor allem im Blick auf die ungleiche Verteilung von Bildungschancen ist das ein höchst interessanter Fund. Denn wir alle wissen ja, dass der Bildungserfolg von Kindern in hohem Maße von ihrer sozialen Herkunft abhängt. Willenskraft allerdings kann das Kind einer Staatsanwältin ebenso zeigen wie das Kind eines Hilfsarbeiters. Wir hätten damit einen Hebel gefunden, der schichtunabhängig funktioniert.
Und wie kann Willenskraft bei Kindern gezielt gefördert werden?
Hier lade ich als Soziologe die pädagogische Forschung ein, an unsere Ergebnisse anzuknüpfen.
Das Interview erschien in der März-Ausgabe der Vierteljahreszeitschrift WZB-Mitteilungen. Die Fragen stellte Gabriele Kammerer.