Das berufliche Übergangssystem ist besser als sein Ruf
Übergangsmaßnahmen, die Schulabgängerinnen und Schulabgängern den Weg in eine Ausbildung oder einen Beruf ebnen sollen, sind insgesamt erfolgreicher als häufig behauptet. Ein WZB-Forschungsteam hat erstmals empirisch erforscht, welche Jugendlichen von den Maßnahmen profitieren. Martin Ehlert, Anne Christine Holtmann, Laura Menze und Heike Solga haben die Situation von leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern analysiert und kommen zu dem Ergebnis: Etwa die Hälfte dieser jungen Leute, die solche sechsmonatigen bis zweijährigen Maßnahmen absolvieren, finden anschließend einen Ausbildungsplatz. Dabei verbessern gerade Jugendliche ohne Schulabschluss ihre Chancen deutlich.
Zum breiten Spektrum der Maßnahmen zählen etwa das Berufsvorbereitungsjahr, das Berufsgrundbildungsjahr, berufsvorbereitende Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, die betriebliche Einstiegsqualifizierung oder teilqualifizierende Lehrgänge an Berufsfachschulen. Manche zielen auf das Nachholen eines Schulabschlusses ab, andere vermitteln betriebliche Kenntnisse oder kombinieren fachliches Lernen mit der Möglichkeit, einen Betrieb genauer kennenzulernen. Rund 300.000 Jugendliche nehmen pro Jahr an solchen Maßnahmen teil (Stand: 2016). Kritiker bezeichnen das Übergangssystem als wenig effektive „Warteschleife“.
Wie stark die positive Wirkung einer Maßnahme ist, hängt wesentlich von der bisherigen Schullaufbahn ab. Am deutlichsten verbessern sich die Chancen für Schulabgängerinnen und -abgänger ohne Abschluss. Diese haben nach einer Maßnahme eine 32 Prozentpunkte höhere Chance, eine Lehrstelle zu bekommen. In dieser Gruppe sind auch Schülerinnen und Schüler vertreten, die vor der Maßnahme eine Förderschule besucht haben. Für ehemalige Förderschülerinnen und -schüler erhöhen sich die Chancen auf eine Lehrstelle sogar um 50 Prozentpunkte.
Eine genaue Betrachtung der einzelnen Maßnahmen ergab folgendes Bild: Ein nachgeholter Schulabschluss erhöht erwartungsgemäß die Ausbildungschancen und eröffnet zusätzlich den Zugang zu attraktiveren Ausbildungsberufen. Bemerkenswert ist, dass dies auch für Jugendliche gilt, die während einer Maßnahme keinen Schulabschluss nachholen, aber viel Zeit im Betrieb verbringen. Allerdings führen Maßnahmen mit starker betrieblicher Anbindung nicht dazu, eine Lehrstelle mit höherem Status zu erlangen.
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Die Ergebnisse der WZB-Studie widerlegen das häufig gefällte negative Pauschalurteil über das Übergangssystem: Gerade Jugendliche, die nach der Schule schlechte Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben, können durch die Teilnahme ihre Chancen auf eine Lehrstelle erhöhen.
Trotz dieser größtenteils positiven Befunde stellt die Studie auch fest, dass für die Hälfte der Jugendlichen ohne mittleren Schulabschluss die Teilnahme an einer Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg hat. Ihr Weg führt nach der Maßnahme nicht in eine Ausbildung, sondern in eine weitere Maßnahme des Übergangsystems, in die Arbeitslosigkeit oder in eine gering qualifizierte Erwerbstätigkeit.
Für Jugendliche, die beim Verlassen der Schule bereits einen qualifizierenden oder erweiterten Hauptschulabschluss haben, verbessern die Maßnahmen die Ausbildungschancen deutlich weniger und teilweise gar nicht. Für sie stellt die Maßnahme häufig eine Warteschleife dar. Allerdings verschlechtert die Teilnahme auch nicht – wie oft angenommen – die Ausbildungschancen.
Das WZB-Forschungsteam nutzte für die Untersuchung Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS), in dem rund 16.000 Jugendliche seit der 9. Klasse befragt wurden. Darunter waren 3.400 Jugendliche mit einem niedrigen Bildungsabschluss, von denen 1.316 an einer Übergangsmaßnahme teilnahmen. Grundlage der Chancenberechnung ist der Vergleich dieser Jugendlichen mit einer entsprechenden Gruppe von Jugendlichen, die sich direkt im Anschluss an die Schule um eine Ausbildung beworben bzw. diese begonnen haben.