„Die Lektüre soll Spaß machen.“ Es gehört Selbstbewusstsein dazu, im Vorwort eines wissenschaftlichen Buches über die ärmsten Länder der Welt einen solchen Satz zu schreiben. Paul Collier hat dieses Selbstbewusstsein – und er hat eine Mission: Der Ökonom will zur Lösung der drängendsten globalen Probleme beitragen und ein breites Publikum erreichen. Denn irgendwann, schreibt Collier, werde sein Sohn ihn angesichts des Scheiterns der ärmsten Länder fragen, was er als Wissenschaftler getan habe, um es zu verhindern.

Der diesjährige A.SK Social Science Award geht an einen Forscher und Vermittler. Paul Collier ist Professor für Ökonomie und Public Policy an der Blavatnik School of Government und Direktor des Centre for the Study of African Economies an der Universität Oxford. Und er ist gefragter Politikberater. Von 1998 bis 2003 war er Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank, 2008 wurden seine Verdienste um die britische Entwicklungspolitik mit dem Order of the British Empire gewürdigt. Das Magazin Foreign Policy hat ihn schon zwei Mal in die Liste der „top global thinkers“ aufgenommen.

International bekannt wurde Paul Collier mit seinem 2007 erschienenen BuchThe Bottom Billion, in dem er den Teufelskreis von Gewalt und Armut in den ärmsten Ländern der Welt untersucht. Warum hängen rund 60 Länder trotz internationaler Hilfe in ihrer Entwicklung fest? Collier identifiziert eine Reihe möglicher Gründe wie Bürgerkriege, Streit um Rohstoffe, fehlenden Küstenzugang oder schlechte Regierungsführung. Bei der Erörterung von Gegenstrategien schreckt Collier vor Provokationen nicht zurück. So kritisiert er die gängige Praxis der Entwicklungshilfe, sieht Demokratie nicht per se als beste Regierungsform und staatliche Souveränität nicht als höchsten Wert. In bestimmten Fällen plädiert er für militärische Interventionen. Diese Thesen führt er zwei Jahre später in seinem Hauptwerk zur Demokratie Wars, Guns, and Votes: Democracy in Dangerous Places aus. Statt Wahlen zu fördern und damit doch nur demokratische Fassaden aufzubauen, müssten die reichen Industriestaaten den ärmsten Ländern mehr internationale Sicherheit bieten und ihre humanitäre und militärische Einmischung grundsätzlich überdenken, fordert Collier.

Mit dem Streit um Rohstoffe beschäftigt sich Paul Collier im Buch The Plundered Planet: Why we Must and How we Can Manage Nature for Global Prosperity. Collier hat hier nicht nur Fragen der lokalen und internationalen Friedenssicherung im Blick, sondern auch die Gefahren des Klimawandels. Und wieder wagte er sich zwischen die Fronten. Den grünen Traum von ökologischer Selbstversorgung hält er für romantisch naiv. Kommerzialisierung der Landwirtschaft und Ausbau der Gentechnik sind seine Rezepte: ein kalkulierter Spagat zwischen technischer Innovation und Ressourcenschonung – möglich nur mit Hilfe internationaler Regelungen wie etwa weltweit kollektiven Anreizen für Individuen, Firmen und Staaten, zum Beispiel zur CO2-Reduktion.

„Colliers Stärke ist, dass er seine Thesen aus empirischen Daten ableitet – ohne Rücksicht darauf, ob sie ihm selbst gefallen oder nicht“, schrieb einmal das Handelsblatt. In der Tat ist der Ökonom Collier bekennender Zahlenfan: „Statistiken widerlegen die grob gerasterten Bilder, die uns oft glauben machen, wir wüssten über die Welt Bescheid." Bei der Auseinandersetzung mit Paul Colliers Thesen tragen die bekannten ideologischen oder disziplinären Raster nicht weit. Der politische Ökonom regt an, selbst zu denken – was er wecken will, ist nach eigenem Bekunden eine Verbindung aus „Mitgefühl und aufgeklärtem Eigennutz“. Denn zur Rettung der Welt, da ist sich der Akademiker sicher, braucht es eine kritische Masse informierter Bürger.

Gekürzte Fassung eines Artikels von Gabriele Kammerer für die WZB-Mitteilungen 141 (September 2013)