Prekäre Autonomien
Der Autonomiebegriff spielt in der Wissenschafts- und Technikforschung seit ihren Anfängen eine zentrale und umstrittene Rolle. Immer wieder ist fraglich, ob und in welcher Hinsicht Wissenschaft als ein mit Regeln eigener Art ausgestatteter autonomer Handlungsbereich anzusehen und entsprechend zu behandeln ist oder umgekehrt, ob Forschungsfreiheit überhaupt ein wünschenswerter Zustand sein kann. Zudem finden sich auch Konjunkturen, da diese Debatten vor allem in Krisenzeiten geführt werden, in denen Integrität, Eigenwert und Akzeptanz von Wissenschaft in Frage stehen. So hat schon Merton (1942) unter dem Einfluss des Krieges auf die Notwendigkeit eigensinniger normativer Strukturen in der Wissenschaft hingewiesen, Vannevar Bush (1945) mit dem linearen Innovationsmodell die noch heute wirkmächtige argumentative Grundlage zur öffentlichen Förderung von Grundlagenforschung auch in Friedenszeiten geliefert oder Michel Polanyi (1962) die autonome Wissenschaftsgemeinschaft als Modell einer freiheitlichen Gesellschaft propagiert und gegen staatliche Eingriffe verteidigt. Diese haben in den letzten Jahrzehnten in Gestalt neuer Bewertungs-, Steuerungs-, Kontroll- oder Überwachungsformen deutlich zugenommen. Deshalb widmen sich die Beiträge erneut der Frage, welchem normativen, begrifflichen und empirischen Stellenwert der Autonomie in Wissenschaft und Technik heute noch zukommt.