Alt gegen Jung: Was Klima- und Corona-Krise gemeinsam haben
Ein Beitrag von Dorothea Kübler
Um Generationengerechtigkeit geht es nicht nur bei der Rente. Junge Menschen weltweit setzen sich seit Jahren und mit zunehmender Vehemenz für die Lösung der Klimakrise ein. Sie wollen die Natur und gute Lebensbedingungen für die Menschen langfristig erhalten. Die Enttäuschung über das Wenige, was bisher im Klimaschutz erreicht wurde, ist groß, in Deutschland und anderswo. Der Interessenkonflikt scheint klar: Die jüngere Generation hat ein größeres Interesse daran, die Umwelt zu erhalten, weil sie mehr Zeit vor sich hat, und damit eine längere Perspektive als die Älteren.
Aufgrund der Corona-Pandemie wird im Augenblick gerade der jungen Generation Solidarität abverlangt, um das Leben der Älteren und Kranken zu schützen. Es gilt, zu Hause zu bleiben, nicht in die Schule zu gehen, keine Freunde und Freundinnen zu treffen. Die Abiturprüfungen werden verschoben und der Lehrbetrieb an den Unis stark eingeschränkt. Dabei ist das Coronavirus für junge Menschen überwiegend harmlos.
Dass Corona zu einer starken Verringerung des CO2-Ausstoßes führt, ist ein ungewollter Nebeneffekt, der beide Krisen miteinander verbindet. Die Corona-Pandemie führt aber vor allem vor Augen, wie umfassend und rasch politische Entscheidungen unser Leben verändern können. Luisa Neubauer von Fridays for Future sagte im Fernsehinterview der Nachrichtensendung „heute“ am 16. März 2020: „Wir wissen, dass politischer Wille, wenn er denn da ist, Berge versetzen kann. Das erfahren wir in der Corona-Krise gerade hautnah. Was dieser Tage politisch abgeht, entblößt am Ende des Tages auch die Verweigerungshaltung der Bundesregierung, die Klimawissenschaft ernst zu nehmen und das Pariser Abkommen einzuhalten.“ Neubauer weiter: „Ganz Deutschland hört dem Virologen Christian Drosten zu. Und das ist genau richtig. Man hört auf die Profis und man entwickelt ein Solidaritätsgefühl.“
Solidarität ist eine wichtige Antriebsfeder menschlichen Handelns. Das geht aus verhaltensökonomischen Studien hervor, etwa jener von Reinhard Selten und Axel Ockenfels. Aber Solidarität ist auch leicht verspielt, wenn sie immer derselben Gruppe abverlangt wird und wenn die Hilfsbedürftigen sich nicht ebenfalls solidarisch verhalten.
Es zeigt sich zwar, dass Menschen anderen beistehen wollen, die Pech hatten. Wenn die Notlage allerdings aufgrund bewusster eigener Entscheidungen entsteht, dann wird die Hilfsbereitschaft geringer, wie die Studie von Alexander W. Cappelen et al. zeigt. Perfiderweise nimmt die Solidarität auch dann ab, wenn die Notlage durch eigene Entscheidungen entstanden ist, die kaum hätten vermieden werden können. Das belegt eine weitere Studie von Cappelen et al. Solidarität ist fragil und manche Menschen suchen nach Ausreden, um sich – scheinbar gerechtfertigt – unsolidarisch zeigen zu können.
So könnten die Jungen die empfundene mangelnde Solidarität der Älteren beim Klimaschutz zum Anlass nehmen, sich selbst weniger solidarisch zu verhalten. Luisa Neubauer will das nicht, im Gegenteil, sie spricht vom „Solidaritätsgefühl“. Aber Fairness, die dauerhaft Solidarität ermöglicht, erfordert ein Austarieren der Interessen. Solidarität der Älteren könnte zum Beispiel bedeuten, dass bei der Lockerung des Social Distancing die berechtigen Interessen der Jungen in besonderer Weise berücksichtigt werden. Auf die baldige Öffnung von Schulen und Universitäten könnte dabei ein besonderes Augenmerk gelegt werden.
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31. März 2020/HW