Ausbilder und Lehrling
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Vergesst die Auszubildenden nicht!

Ein Beitrag von Heike Solga

Es wird zurzeit viel über Schulschließungen, die Absage oder das Verschieben der Abi-Prüfungen und von Studierenden im Digitalmodus gesprochen – wenig hört man zur Situation von Auszubildenden. Das sind jene, die derzeit in Ausbildung sind und zu Hause sitzen, weil die Betriebe und Berufsschulen geschlossen sind. Es sind jene, die derzeit eine Ausbildung suchen und die mit der Unsicherheit leben müssen, wann und wie Tests und Vorstellungsgespräche stattfinden und ob der gefundene Ausbildungsbetrieb überhaupt die Covid-19-Krise überlebt (insbesondere, wenn es sich um einen kleinen Selbstständigen handelt). Und es sind jene, die ihre Ausbildung im Sommer abschließen woll(t)en und auf Jobsuche für die Zeit danach sind.

Wir wissen aus der Forschung zu Wirtschaftskrisen und Rezessionen oder der Situation in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung: Das deutsche Berufsausbildungssystem war stets sehr gut in der Lage, Engpässen beim Zugang zu Ausbildungsplätzen durch berufsvorbereitende Maßnahmen und im ostdeutschen Fall durch eine Ausweitung der Angebote schulischer Berufsausbildungen zu begegnen.  Diese Möglichkeiten werden sicherlich auch in der Zukunft weiter bestehen, und die derzeitigen Versuche und Maßnahmen, alle Betriebe zu erhalten, tun ihr Übriges zur Verbesserung dieser Situation.

Für die jungen Menschen, die bereits in Ausbildung sind, ist die Situation allerdings neu – ohne Beispiel aus der Vergangenheit. Hier sind kreative Lösungen für das Home-Learning gefragt, aber auch verlässliche Aussagen, wie die Ausbildung fortgeführt werden kann. Betriebe – insbesondere kleine – müssen unterstützt werden. Berufsschulen kommt hier eine besondere Bedeutung zu, denn der theoretische Unterricht kann virtuell und digital auch zu Hause weiterlaufen; die praktische Ausbildung in den meisten Berufen nicht. Richtig umgesetzt, könnte die Krise auch positive Auswirkungen haben: Die Kooperation zwischen Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben könnte gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Bleiben noch jene, die sich am Ende ihrer dualen Ausbildung befinden: Verlässliche Maßnahmen zur Verlängerung der Ausbildung sowie staatliche Unterstützungen für temporäre Übernahmen, um diesen Azubis Luft zu verschaffen, wären ein Weg. Denn auch hier zeigt die Forschung: Die Suche nach einem guten Match – das heißt nach einem Arbeitsplatz, bei dem Qualifikationen der Suchenden und Anforderungen der Jobs gut zusammenpassen, braucht Zeit. Und wir wissen auch: Schlechte Passungen zwischen Qualifikationen und Anforderungen wirken sich einerseits negativ auf die Job- und Lebenszufriedenheit aus. Andererseits beeinflussen sie langfristig auch die weitere Berufskarriere negativ. Sie können weitreichende Folgen haben – für das Einkommen, den Einsatz vorhandener Qualifikationen*  oder die Arbeitsplatzzufriedenheit.

Für all diese Herausforderungen brauchen wir konstruktive Überlegungen und Lösungen – als Soforthilfe für die jungen Menschen genauso wie für die zukünftige Attraktivität unseres Berufsbildungssystems.

 

*Kapitel 9 in Menze, Laura: Wege von der dualen Ausbildung in den Arbeitsmarkt. Wie Ausbildungsberufe Chancen strukturieren. Dissertation. Freie Universität Berlin, Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften 2019. 

 

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30. März 2020/kes

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Portrait Foto Prof. Dr. Heike Solga (David Ausserhofer)
David Ausserhofer

Heike Solga ist Direktorin der Abteilung Ausbildung und Arbeitsmarkt.

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Eine Analyse von Maike Rademaker auf Zeit.de, 28. März 2020

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