Wunsch nach eigenen Kindern geht zurück
Die Norm, dass eigene Kinder wichtig sein sollten, verliert unter den Deutschen deutlich an Kraft. Insbesondere jüngere Frauen raten künftigen Generationen dazu, die Bedeutung eigener Kinder nicht zu hoch zu setzen. Dieses überraschende Ergebnis zeigt die 4. Auflage der Vermächtnisstudie, für die im Januar und Februar 2023 4.211 Personen zwischen 23 und 65 Jahren befragt wurden. Die Ergebnisse wurden am 23. Mai in Berlin vorgestellt.
"Wir sehen zum ersten Mal, dass die Bedeutung von Kindern bei den Befragten sinkt", sagt WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger. Für junge Frauen gehe es heute um die Frage Familie oder Job. Dies sei der Abschied von der Idee, Arbeit und Kinder zu vereinbaren. "Nach den Erfahrungen in der Pandemie mit einer extremen Mental Load gilt den jungen Frauen anscheinend die Erwerbsarbeit als der Ort, wo sie einigermaßen gleichberechtigt leben können", erklärt Jutta Allmendinger. Sie hat unter Mitarbeit von WZB-Forscherin Lena Hipp (im Bild 2. von rechts) und WZB-Forscher Jan Wetzel (2. von links) die Vermächtnisstudie wissenschaftlich geleitet.
Anders als bei vorherigen Befragungen der Vermächtnisstudie zeigen sich beim Thema Kinder unterschiedliche Antworten je nach Alter der Befragten. Gerade Menschen ab 51 Jahren betonen, wie wichtig Kinder seien und legen diese Norm auch den nachkommenden Generationen ans Herz. Ein Grund könnte sein, dass in dieser Altersgruppe die eigenen Kinder schon aus dem Haus sind, so dass berufstätige Mütter keine Doppelbelastung mehr tragen müssen. "Ich nenne diese Frauen zwischen 51 und 65 Jahren die goldene Generation. Sie können jetzt das Leben von Vätern führen - mit Kindern, aber ohne die doppelte Last aus Beruf und Kinderbetreuung", sagte Jutta Allmendinger bei der Vorstellung der Ergebnisse im Allianz-Forum in Berlin.
Mental Load: Die Last des alltäglichen Planens liegt bei den Frauen
Die aktuelle Befragung der Vermächtnisstudie bestätigt, dass Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Putzen, Waschen und Einkaufen ausschließlich oder überwiegend von Frauen übernommen werden. Erstmals wurde auch die Belastung durch unsichtbare kognitive Arbeit gemessen, die sogenannte "Mental Load". Von ingesamt 21 Aufgaben, die Haushalt, Familienorganisation und Freizeitaktivitäten betreffen, liegen nur drei überwiegend oder ausschließlich bei den Männern: Reparaturen, Handwerker und Finanzen. Die befragten Männer geben dabei häufiger an, dass die mentale Belastung fair verteilt ist. Frauen hingegen sehen die Last klar bei sich.
Berufliche Nachteile durch Elternzeit - vor allem für Väter
Nach den beruflichen Konsequenzen einer zwölfmonatigen Elternzeit gefragt, erwartet etwa jeder zweite Befragte negative Auswirkungen auf die Karriere von Vätern. Frauen sehen Männer durch Elternzeit stärker benachteiligt als sich selbst. Sie schätzen die negativen Folgen für die Karriere von Frauen niedriger ein als dies männliche Befragte tun: Von den Frauen erwarten 52 Prozent negative Folgen einer Elternzeit für Männer und 31 Prozent gehen von Nachteilen für Frauen aus. Unter den befragten Männern gehen 47 Prozent davon aus, dass sich eine Elternzeit negativ auf die Karriere von Vätern auswirkt, 34 Prozent sehen negative Konsequenzen für das berufliche Fortkommen von Frauen.
Unbeabsichtigte Folgen von Frauenquote und Mentoring
Geschlechtsspezifische Förderprogramme wie Frauenquoten oder Mentoringprogramme können unbeabsichtigte Folgen haben: So zeigen die Ergebnisse der Vermächtnisstudie, dass der Erfolg von Frauen in Unternehmen, die Wert auf Frauenförderung legen, weniger auf Intelligenz und Fleiß zurückgeführt wird, als in Unternehmen, in denen ausschließlich Leistung und einheitliche Bewertungsstandards gelten.
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CR, 23.5.23