Staatsbürgerschaft in Europa während des 20. Jahrhunderts

Abstract

Staatsbürgerrechte sind in allen europäischen Ländern des 20. Jahrhunderts politisch erkämpft und rechtlich gewährleistet wurden. Mit der Behandlung von sechs europäischen Ländern, je drei aus Ost- und Westeuropa, wird erstmals ein historischer Vergleich der Entwicklung von staatsbürgerlichen Rechten und Systemen der Staatsangehörigkeit in Europa während des 20. Jahrhunderts unternommen.

Die Untersuchung stellt zunächst die verbreitete These in Frage, dass es unterschiedliche Entwicklungspfade der Staatsbürgerschaft in West- und Osteuropa gab. Gefragt wird nach dem Verhältnis von Nationsverständnis und Staatsbürgerrechten, nach Mustern der Exklusion gegenüber spezifischen Gruppen und Minderheiten (z.B. Frauen und Juden), nach Transferbeziehungen zwischen den Vergleichsstaaten und deren Bedeutung im Hinblick auf die Konstruktion einer europäischen Unionsbürgerschaft.

Anhand eines systematischen Vergleichs zwischen normativen Quellen der Vergleichsländer (Verfassungen, Gesetze, Verordnungen), Materialien und Publizistik zu deren Entstehungsgeschichte werden mit Methoden historischer Kritik Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Entwicklung staatsbürgerlicher Rechte in Europa herausgearbeitet.

Nach vorläufigen Ergebnissen besteht - im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung - kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem spezifischen Nationsverständnis und rechtlichen Institutionen staatsbürgerlicher Exklusion. Der historische Wandel politisch-sozialer Rahmenkonstellationen beeinflusst stärker als tradierte Muster des Nationsverständnisses die Entscheidungen über Inklusion und Exklusion.